Gastautor Maximilian Faßbender


 

Grünzeug – Freund und Futter für die Seele

Nur damit wir uns richtig verstehen: Ich bin nicht über Nacht zum geläuterten Veganer mutiert. Ich schleiche mich auch nicht nachts noch heimlich raus und umarme neuerdings Bäume. Weiterhin esse ich immer noch sehr gerne Fleisch. Aber ich habe in letzter Zeit doch einige Veränderungen in meinem Essverhalten vorgenommen. Eine Besonderheit sticht dabei besonders hervor: Selbstbezogene Gemüse. Deswegen möchte ich euch mit auf meine (rein) pflanzliche Exkursion nehmen und hoffe, dass ich den einen oder anderen vielleicht inspiriere oder auch zum Nachmachen animiere.

Natürlich habe ich auch vorher Gemüse gegessen, keine Frage. Doch in letzter Zeit habe ich zusätzlich damit begonnen, mir mein eigenes Gemüse zu züchten. Bevor ich mich zu 100% Selbst versorge, ist es sicherlich noch ein langer Weg, den ich offen zugegeben auch gar nicht anstrebe.

An sich ist das Anbauen von Nahrungsmitteln nämlich eh eine ziemlich unwirtschaftliche Sache. Ziehe ich meine Fehlversuche ab, bei denen mir die Pflanze elendig verendete, bleibt unterm Strich doch nur relativ wenig Ertrag übrig. Diesen musste man sich darüber hinaus durch tägliche Pflege mühsam erarbeiten und die Anschaffungskosten für Blumentöpfe, Pflanzenerde, Dünger, Schaufeln, Samen uvm. brauchen wahrscheinlich Jahrzehnte, um sich zu amortisieren. Wenn überhaupt. Wieso tut man sich also die ganze Sache überhaupt an? Gerade, wenn es im Supermarkt eine viel größere Auswahl stets reifer und verzehrfertiger Gemüsesorten gibt? Achtung: Hier wird es jetzt ziemlich unsachlich: Das Anpflanzen und der Verzehr von eigenem Gemüse macht glücklich.

Ok, das ist schon eine gewagte These. Zutreffender: Es kann glücklich machen. Wenn die Blätter sich verfärben, die Schnecken sich über die Jungpflanzen hermachen und man einen aussichtslosen Kampf gegen Schädlinge bestreitet, kann auch mal schnell ziemlicher Frust aufkommen. Wenn dann aber zum Schluss mal eine Frucht oder ein Gemüse an der Pflanze hängt und man dieses erntet und verspeist, dann ist es ein wunderbares Gefühl. Selbstgezogenes Gemüse schmeckt außerdem am allerbesten! Einigen wir uns daher darauf: Das Anpflanzen und Verspeisen selbst angebauter Lebensmittel macht den Gärtner glücklich.

Dieser unsachliche Aspekt war mir gerade im letzten Jahr deshalb auch so wichtig, weil über der Menschheit ein dunkler Schatten schwebte: die Corona-Pandemie. Meldungen über die Krankheit und Tote sowie die Entbehrungen und latente Angst vor dem Virus waren allgegenwärtig. Das geht an niemanden spurlos vorbei. Es bleibt ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber diesem Virus und viele fühlen sich von dem Dauer-Lockdown ein Stück auch wie gefangen. Viele Menschen kompensieren diese dunkle Gefühlswelt durch ein Haustier. Auch wenn ich meinem spontanen Gedanken an eine Mini-Kuh, die ich auf meiner Terrasse halte, einen gewissen Reiz abgewinnen kann, bleibe ich hier doch besser bei meinem Gemüse und anderen Pflanzen.

Wenn ich meine Wohnung aktuell mit etwas Abstand betrachte, so komme ich drinnen und auf der Terrasse auf ca. 40 Pflanzen, Gemüse und Blumen. Eine ordentliche Größenordnung für meine Wohnungsgröße. Aber so viele Pflanzen bedeuten natürlich auch Pflege und Arbeit, die einiges an Zeit in Anspruch nimmt. Aber ganz ehrlich: Urlaub ist wegen der Pandemie ausgefallen, Arbeit meist nur noch im Home-Office und keine Besuche mehr. Entsprechend ist dies als Zeitvertreib ein Teil der Strategie, um mit der Situation umgehen.

Zuzusehen wie eine Pflanze aus einem Samen sprießt, in einem Topf anwächst, immer größer wird und final Früchte trägt, ist etwas Magisches und hat meiner Meinung auch etwas Spirituelles. Das Wunder der Schöpfung und des Lebens im kleinen Format. Im übertragenen Sinne ist es auch ein Gegenpol zu Krankheit und Tod, mit denen man sich zwangsläufig im Rahmen der Pandemie auseinandersetzen muss.

Natürlich kommen auch wieder bessere Zeiten und wer weiß, ob man dann noch die Zeit findet diesen Dschungel überhaupt zu managen. Aber zum Glück gibt es hier auch Gewächse die robust und pflegearm sind. Ich habe seit 5 Jahren einen nahezu unzerstörbaren Ficcus, der mir auch die gröbsten Schnitzer verziehen hat. Rekord waren 14 Tage ohne Gießen und inzwischen bin ich überzeugt, dass er auch eine atomare Apokalypse locker überstehen würde. Aber essen kann man ihn leider nicht und so sehr mich der Anblick dieser zähen Kreatur erfreut, so freue ich mich noch mehr, wenn ich dann doch Früchte ernten und essen kann.

Ich hatte letztes Jahr beispielsweise eine Chilli-Pflanze gekauft und hochgezogen, die zahlreiche Früchte trug. Die Chillis trieben nicht nur mir die Tränen in die Augen, sondern ich erntete so viel, dass ich auch einiges an Bekannte verschenken/verschicken konnte. Dadurch habe ich natürlich auch einen großen Vorrat an Saatgut anlegen können, der mich neue Pflanzen jederzeit reproduzieren lässt.

Für wen Tomaten oder Chillis vielleicht schon zu viel Aufwand sind:  Es gibt auch einfachere Möglichkeiten seinen Speiseplan mit Eigengewächsen zu bereichern: Microgreens, Kräuter und Sprossen lassen sich auch ohne Terrasse oder Balkon in der Wohnung züchten und sind häufig innerhalb kurzer Zeit erntereif. Gerade Sprossen/ Keimlinge haben eine hohe Nährstoffdichte und gelten als gesunde Ergänzung.

Hier sollte man aber dringend beachten, dass nicht jeder, rohe Keimlinge zu sich nehmen sollte: Menschen mit geschwächten Immunsystem können durch Keimbelastungen des Saatgutes krank werden und sollten daher entweder ganz verzichten oder aber die Keimlinge ausreichend vor dem Verzehr erhitzen.

Vielleicht beginnt man dann doch lieber mit einem kleinen Topf Kräutern zum Kochen: Basilikum oder Rosmarin eignen sich beispielsweise hervorragend um eigene Gerichte abzurunden. Wenn ich mir zum Beispiel ein Steak in die Pfanne haue, lege ich meistens einen Rosmarinzweig dazu: Natürlich frisch von der Pflanze gepflückt. Häufig lassen sich hier für bequeme Personen schon fertige Pflanzen kaufen, die man nur noch zu ernten braucht. Für die richtig Faulen und Unbegabten gibt es aber auch inzwischen komplette Smart-Lösungen, die einem durch Technik bspw. die Bewässerung, die Lichtversorgung und die Anzucht erleichtern. Stecker, Wasser und Saatgut rein und der Rest läuft automatisch. Nur noch ernten muss man selber.

Hier gibt es also genug Möglichkeiten einfach einzusteigen und jeder kann etwas anpflanzen. Entweder zum Genuss oder aber auch für gute Gesellschaft und Gespräche. Denkt aber bitte dran: In der Pandemie ist es nicht ungewöhnlich, dass man mit seinen Pflanzen spricht. Wenn sie aber einem anfangen zu Antworten, sollte man dann aber doch besser einen Arzt aufsuchen.


Ultra Personal Trainer Redaktion bedankt sich beim Gastautor Maximilian Faßbender für seine Kurz-Kolumne